Wie ihr seht nehmen die Abständer der Berichte aufgrund von Zeitmangel jetzt schon zu, komisch - obwohl ich doch als Lehrer vormittags Recht und nachmittags frei habe. Aber zum Schulalltag später mal mehr. Heute möchte ich euch das "Leben" hier schildern.
Ich selber war mit einigen Vorurteilen hergekommen: Ich dachte, alles sei billig, ich werde nur von Mücken gestochen, es ist ekelig heiß oder regnet den ganzen Tag, überall lauern Spinnen und Schlangen, alle mittelamerikanische Frauen sehen toll aus und und und...
Denkste! Eigentlich stimmt nichts davon, außer vielleicht das mit den Schlangen und Spinnen, nur dass die zum Glück nicht bewusst menschliche Nähe suchen. Und da ich keinen eigenen Garten suche, bin ich bisher fast verschont geblieben. Eine erschlagene Schlange sollte ich in Alkohol einlegen, um sie zu konservieren, eine pubertierende Vogelspinne kam kurz aus der Decke des Klassenraumes. Ansonsten - toi, toi, toi - hab ich es hier echt gut. Ich wohne in einem Condomino, was weder etwas mit Kondomen noch mit Dominospielen zu tun hat, sondern nichts anderes als eine im anglizistischen Sprachraum als "gated comunity" bezeichnete bewachte und von Mauern und Stacheldraht umgebene Wohnsiedlung ist.

Momentan zahle ich für ein Appartment mit Wohn-Ess-Bereich, 2 Zimmern und Bad 500US$, was deutlich zu viel ist. Begründung: möbliert, nur 6-Monatsvertrag.
Das ganze könnt ihr euch genauer anschauen:
http://www.freewebs.com/condominioallyson/

Wie ihr seht ist es nett gestaltet, mit Pool, Tennisplatz, Racketcourt (naja) und Basketballkörben. Außerdem hab ich hier die Möglichkeit, die 400m lange Auffahrt hoch und runter zu joggen oder zu flanieren. Das ist schon mal ein Stück Freiheit, was ich nicht überall hätte. Und nach der Schule eine halbe Stunde in den Pool gehen zu können, um den Körper vor einer hitzebedingten irreversiblen Denaturierung zu bewahren ist auch Luxus.
Weitere Vorteile sehe ich darin, dass...
...ich auch mal länger wegfahren kann, ohne mich um jemanden zu kümmern, der mal nach dem Rechten schaut.
...kein Garten bis an die Tür = weniger Tiere vor und im Haus (bisher eine Cucaracha)
...kein eigener Garten = kein Gärtner
...hier seltener der Strom ausfällt (ca. 1mal pro Woche)
...hier Wassertanks stehen, so dass wir bisher immer Wasser hatten (es gibt Kollegen, die hatten drei Tage keins)
...das Internet hier einigermaßen zuverlässig ist (oft an Strom gekoppelt)
...kein eigenes Haus = keine Hauszugehörige Empleada, die mit mir wohnt und meine Sachen aus dem Kühlschrank ist.
...kein Wachmann, der meist besoffen ist und schläft, oder gar nicht kommt und im worst case vielleicht auch noch einen unschuldigen Passanten erschießt.

Folgende Nachteile habe ich:
- kein eigenes Obst aus dem Garten
- keine Grillparties mit Freunden

Nun könnte sich letzteres Problem bald lösen, da ich überlege, vom Appartment in ein Townhouse zu ziehen. Im Moment git es ein special offer - 600US$ möbliert bei 12 Monaten Laufzeit - also nur 100US$ mehr. Da ich mit Merle ohnehin etwas größeres brauch, könnte ich jetzt schon zuschlagen, auch wenn das etwas übertrieben viel für mich ist. Aber eben draußen sitzen, wenn auch nur auf 4x5m Betoninnenhof.
Jetzt wisst ihr also, was ich nach der Schule mache - Pool und dann wenn es geht, auch am Pool korrigieren, ab 18Uhr setzt die Dunkelheit ein - das ganze Jahr lang - und ich verschiebe die Arbeit nach drinnen. Um 22Uhr liege ich in der Regel im Bett, schlafe bis 5:30 und der nächste Tag geht los.
Freizeit bisher: besagter Strandurlaub, 3 mal Einkaufszentrum, 1 Stück Käsekuchen mit Karamellsauce, 1mal McDonalds (halber Preis), 1mal Pizza, 1mal Restaurant (mittags), ein Pokerabend (+100Cordobas =3 Euro), 5 mal großer Supermarkt, 2 mal kleiner Supermarkt (wenn man nicht fliegenübersäte Lebensmittel auf der Straße kauft, sondern im Supermarkt, sind sie übrigens teurer als in Deutschland!);
Mehr war noch nicht, aber die meisten machen hier auch nix, auch Schüler und Eltern nicht. Man ist eben einfach wohlhabend und genießt seinen Wohlstand indem man sich hinter Mauern versteckt und ein isoliertes Leben lebt. Wichtig: möglichst viele Angestellte, die einem die einfachsten Dinge abnehmen, ein möglichst hoher Zaun, tausende technischer Kleinstgeräte zur Unterhaltung, dickes Auto, Labtops, riesengroßer Flachbildschirm, neustes Handy, dickster Ipod der Welt. Herrlich - genau mein Ding! Ein wunderbares Leben in dem ich all meine Bedürfnisse befriedigen kann.
Und wenn ihr mir noch so oft schreibt, dass alle zu Hause mich bewundern und neidisch sind, dass ich mich das getraut hab und dass ich mich sicher bald eingelebt habe - diese Dinge werde ich trotzdem weiter kacke finden! Ich werde mich sicher nicht daran gewöhnen, ich hoffe es sogar, dass ich mich nicht dran gewöhne! Und ich sitz hier nun auch nicht und freu mich, dass mich jemand bewundert. Wer mich kennt weiß, dass mir das immer sehr egal war, was andere dachten (so lange es nicht unberechtigt etwas schlechtes über mich war) - so lange ich mich so entfalten konnte, wie ich wollte. Und das geht hier definitiv nicht. Im Moment bin ich daher ganz froh, dass ich sehr viel zu tun habe. Die Wochen verfligen nur so, wenn da nicht die Merlelose Zeit wäre, die macht die Tage schon lang. Nächste Mal stell ich euch dann die Schule vor - und ich versuch mal Fotos zu machen, versprochen.
Ich hoffe, ihr schreibt mir nun trotzdem weiterhin nette mails ;-)
Zum Schluss noch ein paar Bonbons der Lebensweise hier:
x morgens werden die meisten Kinder mit Geländewagen gebracht, d.h. großes Verkehrsaufkommen vor der Schule, das zum Glück von ca. 12 Menschen in gelben Warnwesten und mit Trillerpfeifen "geregelt" wird
x ausparken für Gehirnamputierte: auch an jedem Supermarkt stehen diese Pfeifenmänner und winken wie bekloppt, auch wenn man im Umreis von 15m das einzige Auto ist
x wir haben kein Müllproblem, wir verbrennen doch alles (auf der Straße, im Wald, ...)
x Schulbus hält, Kind steigt aus, Schulbus fährt an, Schulbus bremst, Kind steigt aus; gefahrene Strecke: 6,5-8m herrlich!!!